Der Kampfkunstcharakter der Capoeira steht im ständigen Spannungsverhältnis zu ihrem vordergründigen Spielcharakter. Ihr Spiel erfolgt im Capoeira-Kreis (der Roda), mit dem Ziel durch möglichst geschickte Bewegungsargumente die Spielführung zu gewinnen. Angeleitet und reguliert durch Musik versuchen zwei Spieler im Kreis einen ständigen kontaktarmen Fluss von Angriffs- und Verteidigungsbewegungen aufrecht zu erhalten. Der körpersprachliche Dialog entsteht. Das Geschehen ist vergleichbar mit der Argumentationsweise in einem Alltagsgespräch. Die spannungsvollen Situationen im Spiel-Kreis (Mikrokosmos) erinnern an Auflösungsversuche von Problemen des Alltagsleben (Makrokosmos). Fortgeschrittene Spieler greifen auf eine Vielzahl von eingeübten Bewegungsmöglichkeiten zurück, um auf Probleme (Bewegungsfallen) und deren Muster (Bewegungsantäuschungen) in intuitiver Weise reagieren zu können. Improvisations- und Anpassungsfähigkeit werden im Kreis als "kleines Abbild" unserer Welt stetig abverlangt und erfordern ein hohes Mass an Konzentrations- und Einfühlungsvermögen in der Capoeira- Gemeinschaft.
"Das Ziel in der Capoeira-Roda ist, mit Hilfes seines Gegners das Spiel zu gewinnen ."
(Paradoxon des Capoeira-Spiels)
Das Spiel der Capoeira findet zwischen zwei Personen statt. Es lässt sich als fließendes
Frage-und Antwort-Spiel beschreiben, bei
dem die Spieler auf Angriffs- und Verteidgungsbewegungen wechselweise reagieren mĂĽssen. Man unterscheidet zwei Bereiche mit methodisch verschiedenen Spielarten:
- Das Training als Lern-Spiel-Umfeld
- Die Roda als Konfrontations-Spiel-Umfeld
Jedes Spiel wird von Musik begleitet, die den
Spielcharakter und das Schwierigkeitsniveau
vorgibt. Die Spieler werden aufgefordert am Rand des 8-köpfigen Orchesters in den Kreis
zu treten, sich zu begrüssen, um anschliessend auf ein spieleröffnendes Zeichen des Meisters zu warten. Während dem Körper-Dialog versuchen die Spieler den Partner geschickt in eine vorbereitete Bewegungsfalle zu locken (Schach). Entwickelt das Spiel jedoch keine weitere Kreativität, wird der Meister den Ablauf beenden und ein neues Spielpaar in die Roda rufen
Die Gemeinschaft der Roda hat Anspruch an ein ästhetisch geführtes Bewegungsspiel, das sich durch akrobatisches Geschick auszeichnet. Eindrucksvoll in Erinnerung bleiben Auflösungen von aussichtslos erscheinenden Situationen im engen Handlungsspielraum des Kreises. Der Wirklichkeitsbezug wird spielerisch vor Augen geführt. Durch die Verbindung von Spielern und Musikern, von Vorsängern und Chor wird die Roda zu einem Ort sozialer Interaktion, wo gegenseitiger Respekt das Gemeinschaftsgefühl aufrecht hält.
Das Training ist eine Vorbereitung für den Capoeira-Kreis. Es werden alle Aspekte der Roda trainiert, um später ein größt mögliches Mass an Selbstvertrauen in die eigenen Bewegungsfähigkeiten zu haben und diese richtig zur Anwendung zu bringen.Das Training gibt daher einen vertieften theoretischen Einblick in die Roda durch praktisches Erlernen der verschiedenen Angriffs- und Verteidigungsbewegungen, um die Spieler mit einen Grundrepertoir an Bewegungsargumenten auszustatten. Zusätzlich wird das Spielen der Instrumente und der Gesang in brasilianischer Sprache vermittelt.
"Ein Capoeirista (Capoeira-Spieler) geht nie unvorbereitet in die Roda.
Er beherrscht Bewegungen, Gesang und spielt die Instrumente."
(Mestre Laércio)
Contramestre Ashé ist in Konstanz geboren und begann im Alter von 15 Jahren Capoeira Angola bei Contramestre Urubú zu erlernen. Er praktiziert seit über 20 Jahren Capoeira und leitet die Gruppe Filhos de Angola seit dem Jahr 2000. Er ist Vorstand des Lagoa Boa Verein Konstanz, der sich ehren-amtlich mit Verbreitung der Capoeira befasst. Ashé hält regelmässig Workshops auf welchen er das Wissen, die Tradition und die Lehren seines Meisters Laércio aus Brasilien weiter gibt.
Geboren inn Salvador da Bahia, begann Laércio dos Anjos Borges im Alter von 12 Jahren Capoeira zu erlernen. Berühmte Meister, darunter Mestre Caiçara und Mestre Moraes, gelten als seine Referenzen. Im Jahre 1984 gründet er die Grupo de Capoeira - Filhos de Angola in Salvador da Bahia, Brasilien. Heute lebt und arbeitet er in Berlin und gehört zu den Pionieren, die Capoeira Angola nach Europa gebracht haben, um ihre Vielfältigkeit hier weiter zu pflegen und zu vermitteln.
"Every movement starts with singing in a choir."